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14.01.2021

Die Geschichte des Impfens

Die Auseinandersetzung ums Impfen ist so alt wie die Impfpflicht in Deutschland. Sie wurde erstmals 1874 vom Reichskanzler Otto von Bismarck eingeführt, um der Pocken Herr zu werden. Denn bei der letzten großen Pockenepidemie 1870 und 1873 in Deutschland mit mehr als 400.000 Erkrankten starben 181.000 Menschen. Seit wann es überhaupt Impfungen gibt, wie sie entwickelt wurden und wie sich Menschen vorher schützten, finden Sie hier.

Ob Pocken, Tuberkulose, Masern oder Diphterie – bis zum späten 19. Jahrhundert waren Infektionskrankheiten und entzündete Wunden die häufigste Todesursache. „Die Pocken waren immer da, füllten die Kirchhöfe mit Leichen, peinigten den Verschonten mit ständiger Angst, hinterließen an dem mit dem Leben Davongekommenen die scheußlichen Spuren ihrer Macht“, so schilderte der englische Geschichtsschreiber Thomas Macaulay (1800-1859) die Auswirkungen der auch als "Blattern" bezeichneten Krankheit.

Pockenparties und Schnupfmittel

Dabei hatten Menschen schon weit vor Christi Geburt beobachtet, wie man der Seuche Herr werden könnte. Aus Indien, China oder Konstantinopel gibt es Berichte, dass Personen, die eine Infektionskrankheit überstanden hatten, vor weiteren Ansteckungen geschützt waren. Der gleiche Effekt trat ein, wenn man Gesunde mit abgeschwächten Formen des Erregers in Kontakt brachte. In China verrieb man bereits 1.000 Jahre vor Christus eingetrocknete Pockenkrusten im Mörser und verabreichte den Staub als Schnupfmittel. In einem Bericht von 1717 schreibt die Frau des britischen Botschafters, Lady Mary Wortley Montagu, über Pockenparties in Konstantinopel, bei denen eine leichtere Pockenerkrankung gezielt von einem Kind auf das andere übertragen wurde, um es zu schützen.

Die Entdeckung der Impfung

Im Zeitalter der Aufklärung lösten solche Berichte in Westeuropa eine Forschungswelle aus. Den Durchbruch schaffte 1796 der englische Landarzt Edward Jenner: Er erkannte, dass Landarbeiter, die sich mit harmloseren Kuhpocken infiziert hatten, gegen die Menschenpocken immun waren. Zur Überprüfung seiner These infizierte er einen Jungen mit den Kuhpocken. Anschließend infizierte er ihn mit den gefährlicheren Menschenpocken, der Junge erkrankte jedoch nicht. Die Impfung war geboren.

Es dauerte aber noch bis weit ins 20. Jahrhundert, bis Wissenschaft und Medizin die dahinter liegenden Mechanismen verstanden. 1864 präsentierte der französische Chemiker Louis Pasteur mit der Keimtheorie eine Erklärung für die Ausbreitung der Seuchen. Sie besagt, dass Krankheiten durch Mikroorganismen verursacht und dann über Husten, Niesen, Küssen, Abfälle und verunreinigte Nahrungsmittel oder Wasser übertragen werden können.

Welle der Entdeckungen

1876 erbrachte Robert Koch in Berlin den Nachweis, dass Bakterien Milzbrand auslösten, 1881 folgte der Nachweis für Tuberkulose. 1884 heilte Pasteur zum ersten Mal einen mit Tollwut infizierten Patienten durch eine Impfung. 1890 entdeckte der Mediziner Emil von Behring zusammen mit Kollegen die passive Immunisierung – die Verabreichung von Antikörpern. Zusammen mit Paul Ehrlich entwickelten sie auf der Grundlage Impfstoffe gegen Diphtherie und Wundstarrkrampf.

Den Viren kam die Wissenschaft erst im 20. Jahrhundert auf die Spur: 1935 entdeckte der US-Amerikaner Wendell M. Stanley unter dem Lichtmikroskop an kranken Tabakpflanzen kleine kristallnadelartige Gebilde, die er Virus (lat. Gift) nannte. Mit dem 1940 entwickelten Elektronenmikroskop ließen sich auch menschliche Viren erforschen und Impfstoffe entwickeln.

Beginn der Impfungen in Deutschland

Anhand der Forschungsergebnisse Jenners begannen die europäischen Staaten langsam mit ihren Impfprogrammen gegen Pocken - in Deutschland 1807 in Hessen. Die Reichsregierung erklärte 1874 die Pockenimpfung zur Pflicht.

Doch von Anfang an gab es auch Widerstand: Die Argumente sind bis heute ähnlich: Impfungen seien erstens gesundheitsschädlich oder zweitens nicht wirksam. Erste Impfgegner-Organisationen in Deutschland wurden 1869 in Leipzig und Stuttgart gegründet. In der Weimarer Republik hatte der Reichsverband zur Bekämpfung der Impfung rund 300.000 Mitglieder.

Die Vorstellung, dass man sich etwas Krankmachendes einspritzt, um geschützt zu sein, das sorgt erst mal für Skepsis.

Skepsis bei den Impfgegnern

In der Tat wurden immer wieder durch mangelnde Hygiene und Unkenntnis Krankheiten auf die Geimpften übertragen; auch allergische Reaktionen sorgten für Todesfälle. Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts erkannte man, dass bisweilen eine Zweitimpfung nötig war, weil der Impfschutz nicht ein ganzes Leben lang hielt.

„Die Vorstellung, dass man sich etwas Krankmachendes einspritzt, um geschützt zu sein, das sorgt erst mal für Skepsis“, sagt der Medizinhistoriker Malte Thießen. Impfungen seien geradezu perfekte Projektionsflächen für Skepsis gegenüber der Moderne oder radikale Verschwörungstheorien: Da ist die Pharmaindustrie, die die Seuche verbreitet, um dann Geld daran zu verdienen. Da ist der Staat, der die Bevölkerung unterjochen will.

Aufklärung statt Zwang

Die Zeit des Nationalsozialismus brachte eine langsame Abkehr vom Impfzwang mit sich , stellt Thießen fest, denn Propaganda und Werbung für das Impfen zeigten bessere Ergebnisse. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging man in den beiden deutschen Staaten auch beim Impfen getrennte Wege. In der DDR wurde systematisch per Impffplicht gegen Pocken, Diphterie, Tuberkulose und Co geimpft. In der Bundesrepublik setzte man auf Aufklärung statt auf Zwang. Bekannt ist beispielsweise die Impfung gegen Kinderlähmung seit den Sechzigerjahren. Den Slogan "Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam" haben noch heute viele im Ohr. Er steht für das Erfolgsrezept von Aufklärung und Freiwilligkeit. Wer sich oder seine Kinder nicht impfen lassen möchte, hatte damals und hat auch heute keine Restriktionen zu befürchten.

Nach der Wiedervereinigung war der Impfzwang in ganz Deutschland passe. Erst seit 2020 gilt wieder eine Masern-Impfpflicht für alle nach 1970 geborenen Bürger, die in einer Gemeinschaftseinrichtung arbeiten oder dort betreut werden.

Inhalt: KNA/red.

 
 

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